Freiheit, die wir meinen: Über Politik und Presse in Russland

Kaum ein Volk liest so viel Zeitung wie die Russen. In einer Millionenauflage gehen täglich Zeitungen und Magazine über die Kiosktheken in Moskau, St. Petersburg oder Nowosibirsk. Doch um die Freiheit der Presse ist es in der früheren Sowjetunion noch immer nicht zum Besten bestellt. Das hat viele Gründe. Beobachtungen von Dimitrie Schukov, Mitarbeiter des Christlichen Medienverbundes KEP in Moskau.
Von PRO

Es war Anfang Juni, als sich im Moskauer Kremlpalast mehr als 1.700 Verleger und Journalisten zum 59. Weltkongress der Zeitungen trafen. Gast der Eröffnungsveranstaltung war Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Vorsitzende des Weltverbandes der Zeitungen, Gavin O’Reilly, nutzte die Gunst der Stunde, um im Beisein von Putin deutliche Kritik an der Pressefreiheit im Land zu äußern: Er bemängelte die zunehmende Kontrolle des russischen Staates in den Medien, erwähnte die Berichte von Hunderten russischer Journalisten, die Putin und weiteren Machthabern vorwerfen, keine freie und unabhängige Presse zu fördern.

Höflich, aber deutlich war die Kritik O’Reillys. Präsident Putin wies die Kritik jedoch ebenso höflich und bestimmt zurück. „Heute werden über 53.000 Zeitungen und Zeitschriften in Russland veröffentlicht. Auch wenn der Staat das wollte, könnte er diese nicht kontrollieren. Unmöglich. Es gibt zudem mehr als 3.000 Fernseh- und Radiogesellschaften. Doch sicher gibt es auch Probleme.“

Es ist ein zweischneidiges Schwert, das Thema Pressefreiheit in Russland. Wie die Frage nach den Stärken und Schwächen unseres Staates. Russland ist so unermesslich groß, dass es auch nach dem Fall als „Supermacht“ eine Macht geblieben ist. Die Frage nach den Stärken und Schwächen wird in Russland, wie in jedem anderen Volk auch, immer wieder gestellt. Doch die Russen diskutieren darüber eher vorsichtiger, beinahe widerwillig. Denn jeder Russe ist stolz auf sein Land, Kommunisten und Demokraten, Arme und Reiche eint ihr Patriotismus. Ganz gleich also, wie oft im Ausland über die Stärken und Schwächen des russischen Staates geschrieben oder debattiert wird, im  Herzen tragen alle Russen die Sehnsucht, ihrem Land nur das Beste zu gönnen, zu sagen und zu geben. Kritik fällt allen schwer, Politikern wie Bürgern.

Dabei stellt sich nur die Frage: Was ist das Beste für Russland? Und was meint Putin, als er offen von „Problemen“ spricht? Ist es die mangelnde Freiheit, die Russen als Problem erscheint? Oder die zu große Freiheit, die auch 16 Jahre nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft gelernt werden muss?

Glaube, Moral und Freiheit

Freiheit wird in Russland anders definiert als etwa in Deutschland oder weiteren europäischen Staaten. Das Streben nach Freiheit prägte die
russische Gesellschaft in allen Epochen ihrer Geschichte, da das Volk nie richtig frei leben konnte. Über Freiheit wird bis heute gesprochen: in der Duma, in den Medien und in Familien. Alle sprechen über ihren Wunsch nach Freiheit. Doch keiner scheint zu wissen, aus welcher Quelle die Freiheit kommt. Nicht aus Dogmen oder politischen Theorien, sondern aus der Umsetzung moralischer und ethischer Prinzipien im Leben jedes einzelnen Menschen: jedes Politikers, Chefredakteurs, Polizisten, Beamten, Arbeiters. Es ist die Umsetzung der Menschenwürde, die schon der christliche Glaube definiert.

Es fehlt an dieser allgemeinen Moral, die sich in einer über Jahrzehnte andauernden Diktatur nicht verankern konnte. Bis zum Fall des Kommunismus wurde die russische Gesellschaft durch andere Maßstäbe zusammengehalten als durch den christlichen Glauben. Bis heute dauert der Entwicklungsprozess des russischen Staates an, eine demokratische Gesellschaft zu werden. Es bedarf nicht allein der Etablierung der bürgerlichen Freiheit, sondern auch die in Demokratien selbstverständliche freie Meinungsäußerung muss erst von allen Teilen der Gesellschaft richtig und gleichermaßen verstanden werden, um dieses Prinzip des Zusammenlebens auch im Alltag umzusetzen.

Nur liegt auch hier ein Schwachpunkt: nicht alle haben das gleiche Verständnis von Demokratie und daher auch nicht von Freiheit. Je mehr sich etwa Firmen oder Verlage aus der Kontrolle des Staates bewegen, desto häufiger geraten sie unter die Kontrolle eines Unternehmers. Gleiches gilt auch umgekehrt. Ganz gleich, was unternommen wird, um russische Medien frei zu machen, Zeitungen und Zeitschriften werden in Russland wohl immer als Werkzeug in den Händen von Politikern, von Öl-Magnaten oder Oligarchen gesehen werden. Aus diesem Grund müssen russische Journalisten und Berichterstatter zunächst lernen, wie sie in Freiheit – also unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten – überleben können, um dann in der Freiheit von Kontrolle und Einflussnahme publizieren zu können.

Dennoch, es gibt sie, die unabhängig denkenden Journalisten, die sich für die Freiheit der Presse und Meinung einsetzen. Und es ist gleichsam wahr, dass sich große Zeitungen sehr oft in den Händen großer Firmen oder Politiker befinden, die ihren Einfluss geltend machen. Damit aber können viele Journalisten leben, denn es ist ihre Definition der Freiheit, die auch den Einfluss Dritter toleriert. Erst vor wenigen Wochen kaufte sich der ehemalige russische Präsident Michail Gorbatschow in eine der größten Zeitungen Moskaus ein. Zusammen mit dem Duma-Abgeordneten Alexej Lebedjew hält Gorbatschow 49 Prozent der „Novaja Gazeta“, die zweimal wöchentlich in einer Auflage von mehr als 500.000 Exemplaren erscheint. Natürlich, Gorbatschow gilt im Westen als Förderer der Demokratie und (Presse-)Freiheit, doch die Redakteure der Zeitung wissen, dass mit diesem Schritt auch Einflussnahme verbunden ist. Einfluss, den nicht alleine der russische Ex-Präsident ausüben könnte.

Die Lösung für das Problem der mangelnden Pressefreiheit ist in Russland die noch immer mangelnde Ausbildung von Journalisten. Damit ist nicht unbedingt die mangelhafte Fähigkeit des Schreibens gemeint, sondern die Unfähigkeit, frei und unabhängig zu denken und zur eigenen Meinung stehen zu können. Diesen wichtigen Aspekt des Journalismus lernen die jungen Menschen auf Journalistenschulen nur bedingt.

Journalisten sind auch in Russland Bürger des Staates, die an herausgehobener Position über die Geschehnisse im Land berichten. Sie sind, wie alle Bürger auch, auf dem Weg in eine Freiheit, deren Basis und Umsetzung erst noch erlernt werden muss. Die Menschen in Russland benötigen nichts weniger als die Kenntnis moralischer Lebensgrundlagen, die dann auch ihre Tätigkeit als Publizisten verändern wird. Selbst Putin weiß, was seinen Landsleuten fehlt. Erst kürzlich rief er die Kirchen dazu auf, den Glauben unter der Bevölkerung zu fördern. Der christliche Glaube kann Gesellschaften verändern, er kann Journalisten die nötige Freiheit geben und den Menschen in Russland das Wissen, dass über dem Einfluss des Kremls ein Anderer steht, der Freiheit schenkt.

Der Autor, Dimitrie Schukov, ist Mitarbeiter im Büro der Literatur- und Medienmission des Christlichen Medienverbundes KEP in Moskau.

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Literatur- und Medienmission in Russland

Seit 1990 veröffentlicht der Christliche Medienverbund KEP e.V. im Rahmen der Literatur- und Medienmission in Russland und der Ukraine biblische und evangelistische Texte in zahlreichen überregionalen Zeitungen und Magazinen. Bislang wurden in weit mehr als 4 Milliarden Zeitungsexemplaren christliche Texte veröffentlicht. Hunderte Leser schreiben aufgrund der Veröffentlichungen und erhalten auf Wunsch kostenlos christliche Literatur und Bibeln. In Zusammenarbeit mit der Organisation „Every Home for Christ“ (EHC) in Russland bietet die Medienmission einen Bibelkurs in russischer Sprache kostenlos im Internet an. Regelmäßig werden zudem biblisch orientierte Leitfäden für den Religionsuntericht in der offiziellen Russischen Lehrerzeitung „Uchitelskaja Gazeta“ veröffentlicht. Die Finanzierung der Arbeit erfolgt vollständig durch Spenden.

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