USA: Megakirchen sind zu bedeutendem Machtfaktor geworden

W a s h i n g t o n (KEP) - Afrika, Lateinamerika, Osteuropa - die evangelikalen Kirchen wachsen weltweit. Doch besonders in den USA ist das Phänomen der überdimensionalen Riesenkirchen zu beobachten, die mit einer explodierenden Mitgliederzahl immer mehr an Macht und Einfluss in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft gewinnen.
Von PRO

Das Phänomen Megakirche erregte jahrelang keine besondere Aufmerksamkeit. Doch die jüngsten Präsidentschaftswahlen in den USA rückten die Kirchen ins Interesse der Medien. Die Wahlen zeigten, dass die Republikaner unter George W. Bush nicht nur durch hervorragend organisierte christliche Lobbygruppen unterstützt wurden, sondern auch durch eine neue Form von Kirchen.

Die meisten Megakirchen sind konfessionell ungebunden. Fast alle sind evangelikal. Diese Gotteshäuser entwickelten in den vergangenen Jahren durch eigene Radiosender, Fernsehprogramme, Verlagshäuser und Bildungsinstitute einen immensen Einfluss auf Politik und Wirtschaft des Landes. Seither staunt Amerikas säkularer Teil der Öffentlichkeit über die christliche Parallelgesellschaft, die beinahe vollständig unabhängig von der „weltlichen“ Gesellschaft existiert.

20.000 Gottesdienstbesucher pro Wochenende

Die evangelikalen Megakirchen expandieren in ganz Amerika. Ihre Zahlen beeindrucken die Medien. Mit 25.000 Mitgliedern ist die „Southeast Christian Church“ in Louisville Kentucky derzeit auf Rang sieben der amerikanischen Top-Ten-Liste der größten Kirchen. Angefangen habe alles im Keller eines Privathauses, in dem sich die Gründungsmitglieder 1962 trafen, betonte die PR-Abteilung der Kirche. Über den Kirchen-Boom berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ in der aktuellen Ausgabe vom Donnerstag.

Heute hat die Kirche 9.100 Sitzplätze und erwartet an jedem Wochenende 20.000 Gläubige, die sich auf vier Gottesdienste verteilen. Der 71.000 Quadratmeter große Bau aus Glas und Beton, der kaum an eine Kirche erinnert, ist mit 4.800 Parkplätzen und 403 Toiletten ausgestattet. Die wöchentliche Kollekte umfasst im Schnitt 70.000 US-Dollar. Die umliegenden Gemeinden schrumpfen, und viele von ihnen müssen aufgelöst werden.

Die „Lakewood Church“ in Houston ist mit 30.000 Mitgliedern die größte amerikanische Einzelgemeinde. In Gemeinden wie dieser findet man alles an einem Platz: Gottesdienst, Therapeuten, Selbsthilfegruppen, ein Sportstudio, einen Multimedia-Shop und sogar eine Berufsberatung. Mit diesem Angebot, den zahlreichen Rolltreppen, gläsernen Aufzügen und einer weitreichenden Lobby erinnert die Kirche sehr an ein modernes Einkaufszentrum.

Sozialwissenschaftler: „Massenkultur triumphiert über Religion“

„Jesus lebt in Disneyland“, spotten Kritiker der Megakirchen in der „Zeit. „Die Religion ist auf die Massenkultur gestoßen. Und die Massenkultur hat triumphiert“, zitiert „Die Zeit“ den amerikanischen Sozialwissenschaftler Alan Wolfe. Neben den Kirchen haben sich die riesigen evangelikalen Gemeinden ein eigenes Ausbildungsnetzwerk aufgebaut. Gemeindemitglieder sollen ausschließlich die evangelikalen High Schools und Colleges besuchen und bekommen Jobs am gemeindeeigenen Stellenmarkt. In manchen amerikanischen Städten existiert bereits ein „christliches Branchenverzeichnis“.

Das Ziel der Megakirchen definiert Dave Stone, angehender Senior-Pastor der „Southeast Christian Church“ so: „Wir müssen eine neue christliche Ära einleiten.“ Amerika sei moralisch immer tiefer gerutscht – bis in eine antichristliche Zeit, in der wir heute lebten, sagte der Kirchenführer im Gespräch mit der Hamburger Wochenzeitung. In einer solchen Zeit sei es besonders wichtig, das Wort Gottes zu verbreiten. Und das mit Hilfe von gigantischen Gemeinden.

Weltgrößte Megakirche umfasst 700.000 Mitglieder

Doch die „Megachurches“ in den USA werden durch koreanische Gotteshäuser an Größe weit übertroffen. In Koreas Hauptstadt Seoul befindet sich die derzeit größte Kirche der Welt: Die „Yoido Full Gospel Church“ mit über 700.000 Mitgliedern. Der Gründer David Yonggi Cho gilt als einer der Pioniere in der globalen Bewegung der Riesenkirchen. Kritiker werfen ihm vor, die christliche Lehre mit einheimischen Ritualen und Religionen zu vermischen.

In Europa hingegen sind die evangelikalen Gemeinden verhältnismäßig klein. In Kiew steht die „Embassy of God“. Sie ist mit 20.000 Mitgliedern Europas größte evangelikale Kirche. Auch die ukrainische Kirche ist in Fernsehsender, Buchverlage und Immobiliengeschäfte involviert. „Megachurches are Megabusiness“, schreibt das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“.

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