Streit um Schulbesuch: Gericht entzieht Sorgerecht

P a d e r b o r n (KEP) - Erstmals hat ein Gericht zwei Elternpaaren, die ihre Kinder zuhause unterrichten wollen, das Sorgerecht entzogen. Damit reagierte das Familiengericht auf die Weigerung der Eltern, ihre Kinder in die staatliche Schule zu schicken. Im kommenden Schuljahr soll nun das Jugendamt der Stadt Paderborn die Verantwortung übernehmen und den Schulbesuch der Kinder sicherstellen.
Von PRO

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Kinder vor weiteren Schäden bewahrt werden müssten. Die Eltern hätten den staatlichen Erziehungsauftrag sowie das Recht ihrer Kinder auf altersgemäße Förderung missachtet, erläuterte das Gericht weiter.

Die Eltern haben nun die Möglichkeit, Beschwerde gegen diese Anordnung einzulegen, mit der den Eltern das Recht zur Aufenthaltsbestimmung und zur Regelung von Schulangelegenheiten vorläufig entzogen wird.

Der Streit zwischen den gläubigen Eltern und den Behörden dauert bereits mehrere Jahre an und wurde von zahlreichen lokalen und internationalen Medien begleitet. Die betroffenen Familien sind russische Aussiedler, die der Gemeinde der Evangeliumschristen-Baptisten angehören. Im Kreis Paderborn weigern sich sieben Familien aus religiösen Gründen, ihre insgesamt 15 Kinder zur Schule zu schicken. Einem der Elternpaare droht nach einer Entscheidung des Paderborner Landgerichtes zudem Erzwingungshaft.

Eltern, die ihre Kinder in Deutschland zuhause unterrichten, statt sie in die staatliche Schule zuschicken, tun dies gegen den Widerstand von Schulen und Behörden. Oft sind es religiöse oder pädagogische Wertvorstellungen, die Eltern im öffentlichen Schulsystem nicht verwirklicht sehen. Eltern reagieren darauf, indem sie ihre Kinder zuhause unterrichten. "Homeschooling" ist vor allem in den USA eine beliebte Unterrichtsmethode. Rund zwei Millionen Kinder werden dort zuhause unterrichtet.

Hintergrund: So gehen die Bundesländer mit Homeschooling um

In Deutschland gehen die Bundesländer bei Verstößen gegen die Schulpflicht unterschiedlich vor. Nordrhein-Westfalen, das bisher eher duldsam gegen Homeschool-Familien war, verschärft mit der aktuellen Entscheidung deutlich seine Maßnahmen gegen den häuslichen Unterricht.

In Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt erhielten betroffene Familien zwar Bußgeldbescheide, der häusliche Unterricht wurde aber stillschweigend geduldet. In Hessen gilt Homeschooling als Straftat, während es in anderen Bundesländern nur als Ordnungswidrigkeit gewertet wird.

In Bayern wurden Eltern einer christlichen Gemeinschaft in eine so genannte "Erzwingungshaft" genommen und die Kinder von der Polizei unter Zwang in die Schule gebracht.

In Schleswig-Holstein gab es bisher kaum Heimschulfamilien, in einem Fall wurde das Bußgeldverfahren vor Gericht eingestellt, nachdem die betroffene Familie dort überzeugend die Qualität ihres Hausunterrichtes darlegen und dem Gericht glaubhaft machen konnte.

Legal in vielen Ländern Europas

Auch in etlichen europäischen Nachbarländern ist Homeschooling unter staatlicher Kontrolle eine legale Bildungsmöglichkeit. In der Schweiz, Dänemark, Österreich, Finnland und den USA besteht lediglich eine Bildungs- und Lernpflicht, jedoch keine Schulpflicht.

Etliche deutsche Familien flüchteten bereits vor den deutschen Gerichten ins benachbarte Österreich. Dort können Eltern auf Antrag bei der Schulbehörde ihre Kinder zuhause unterrichten. Das Lehrmaterial wird von der örtlichen Schule gestellt. Zum Abschluss des Schuljahrs werden die Kinder durch die Lehrer getestet.

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